Als wir Jesse Eisenberg im Zuge der Deutschland-Premiere seines neuen Filmes „Die Unfassbaren –
Now You See Me“ zum Interview treffen, fühlt es sich ein wenig so an, wie ein Traum im Traum:
Etwas verstörend, ziemlich überraschend, absolut undurchschaubar und aufrührend zugleich. Er lässt
sich nicht vorhersehen, bringt einen aus dem Konzept und saugt einen in die Realität seiner nervösen
Dynamik auf. Wie während eines Traumes im Traum ist man es nicht selbst, der kontrolliert, wann
man wieder austritt. Hat man gerade das Gefühl, ihn begreifen zu können, ist das Greifbare wie
magischer Staub schon wieder verflogen. Wie ein Traum im Traum lässt er einen grübelnd, ein
bisschen verwirrt, ein wenig geschafft und zugleich fasziniert zum Deuten des soeben Geschehenen
zurück.
Unschwer ist es zu erkennen: Zuallerletzt ist Jesse Eisenberg 0/8/15. Doch genauso wenig ist er eine
abgehobene Hollywood-Größe: Gratulationen zu seinem Film will er nicht hören, stattdessen will er
wissen, wo wir leben, wo wir geboren wurden, wo unsere Eltern einander kennengelernt haben.
Nein, Letzteres ist erfunden, aber zuzutrauen wäre es ihm. Zuzutrauen wäre ihm alles, denn im
Großen und Ganzen ist er anders als alle und zugleich alles, das man vielleicht von ihm erwartet oder
mit ihm assoziiert. Klar ist also, was der gebürtige New Yorker nicht ist. Was aber ist er nun? Faktisch ist er einer der erfolgreichsten Schauspieler unseres Jahrzehnts. In Arje Shaw’s off-Broadway Stück „The Gathering“ zum ersten Mal professionell geschauspielert. 1999 mit seinem Auftritt in der Serie „Get Reel“ die Fernseh-Schauspielerei begonnen, 2001 zum ersten Mal in einem Spielfilmerschienen. Danach ein paar sensible Indie-Streifen. 2009 der Durchbruch mit „Zombieland“.
2010mit „The Social Network“ oscarnominiert für die Rolle des Mark Zuckerberg, mit dem er offenkundig
nicht nur den -berg gemein hat, sondern auch das Genie. In den Folgejahren alles, das man sich nur
wünschen kann: Horror, Comedy, Thriller, Spielfilm, Theater, Musical, essayistisches Schaffen,
Durchbruch als Bühnenautor und dann auch noch die Rolle im Magie-Thriller „Die Unfassbaren“, die
er selbst als coolste Rolle in der Geschichte des Filmes bezeichnet. So weit so gut: Kreativ begabt ist
Mr. Eisenberg offenbar. Was aber fernab von seiner Biografie? Wer ist der 29-Jährige, der alles kann?
Wie er uns im Interview verrät, ist er ein code-switchender, ungläubiger, nicht allzu ehrgeiziger,
privat zurückgezogener, immer charmanter, ziemlich moralischer, sprachwissenschaftlich
interessierter, leidenschaftlich schreibender, hingebungsvoll schauspielernder Geschichtenerzähler,
dessen Geist schon nach dem Aufwachen mit nichts anderem beschäftigt ist, als Schaffenswillen.
Das zumindest ist, was er uns erklärt zu sein. Sich daraus zu erklären, wer Jesse Eisenberg tatsächlich
ist, mag eine wieder andere Sache sein. Was haben wir aus Mr. Eisenberg, unserem Traum im Traum,
gedeutet?
Bei unserem Interview treffen wir auf einen Meister des Smalltalks, der Ablenkung und
Überraschung. Wir unterhalten uns mit einer Art super-talentiertem, sicherlich oft
missverstandenem und sozial ein wenig verwirrendem Genie, das paralysiert, hypnotisiert, polarisiert
und nicht zuletzt fasziniert. In jeder Sekunde ist Jesse Eisenberg der allen im Raum Überlegene, in
jeder Sekunde ist er der Unvorhersehbare. Unfassbar. Ja,, vielleicht ist er genau das – der Unfassbare
und seiner magischen Rolle in „Die Unfassbaren“ gar nicht so unähnlich. Now You See Me. Scheinen
mag es so, was wir aber tatsächlich sehen, ist wohl nicht viel mehr als eine Illusion; ein Traum im
Traum. Eben das, was Mr. Eisenberg uns, ganz der Illusionist, von sich sehen lassen will. Deutung
ohne Gewähr.
Doch noch ein Stück von ihm aus unserem Interview zu begreifen, sei jedem selbst überlassen. Wir
wünschen viel Glück dabei – die Chancen stehen nicht allzu gut, doch genau das macht ihn so
interessant…
„Die Unfassbaren“ handelt von Illusion. Ist unsere Realität die größte von allen?
JE: Oh, das könnte tatsächlich möglich sein. Vorstellen könnte ich es mir auf jeden Fall, obwohl ich es
wirklich schrecklich deprimierend finde, darüber nachzudenken.Wer ist der größere Illusionist – Bühnenmagier oder Schauspieler?
JE: Wahrscheinlich ist das, was wir in „Die Unfassbaren“ getan haben, die größte Illusion von allen.
Also wäre wohl der Hollywood-Schauspieler, der vorgibt, ein Bühnenmagier zu sein, der größte
Illusionist. Wir haben in den USA einen Ausdruck, um das zu beschreiben: „Have your cake and eat it, too.“. Das heißt so viel wie: „Man bekommt beide Dinge“. Ich habe gehört, dass es in jeder Sprache
der Welt ein semantisches Äquivalent zu dem Ausdruck gibt. Im Deutschen heißt es: „Auf zwei
Hochzeiten tanzen.“ (lacht) Das mag ich besonders gerne. Auf zwei Hochzeiten tanzen – das wäre
mein größter Albtraum. Das wäre wie: Don’t have your cake and don’t eat it either.“ (lacht)Sind alle Menschen Illusionisten?
JE: Ja, mit Sicherheit. Mein Vater arbeitet als Soziologielehrer und im Großen und Ganzen bringt er
seine Schülern bei, dass wir verschiedene Rollen im Alltag übernehmen und unterschiedlichen Leuten
verschiedene Seiten von uns zeigen. Da gibt es einen sozio-psychologischen Prozess, der sich Code-
Switching nennt: Man verändert sein Verhalten mit dem Raum, in dem man sich aufhält oder den
Menschen, mit denen man zusammen ist. In diesem Sinn sind wir tatsächlich alle Illusionisten. In „Die
Unfassbaren“ ist mein Charakter Atlas als echter Illusionist aber nicht wirklich Illusionist im Sinne des
Code-Switchings. Er verändert sich nicht mit der Gruppe, sondern lebt davon, die Gruppe zu
manipulieren und deren Verhalten oder Wahrnehmung über seine ausgeklügelten Tricks zu
verändern.Bis du ein Code-Switcher und warst vor einer Stunde jemand anderes als jetzt?
JE: Ja, auf jeden Fall. Ich denke oft über diesen Prozess nach. Ich bin mittlerweile in New York am
Theater beschäftigt und wir haben unser Stück ungefähr 85 Mal aufgeführt. Obwohl man immer mit
den exakt selben Intentionen auf die Bühne geht, ist so eine Aufführung jedes Mal anders, weil jede
Show für ein anderes Publikum ist. Man passt das Stück spontan an. Manchmal wird viel gelacht,
dann hat man die Möglichkeit, die Aufführung noch lustiger zu machen oder man wehrt sich gegen
diesen Mechanismus und stellt dramatische Sequenzen besonders dramatisch dar, weil man sich
nicht von der Menge manipulieren lassen will. Auf jeden Fall läuft es wohl darauf hinaus, dass man
sich immer wieder mit der Menge verändert, wenn man auch dasselbe Ziel hat, wie die Aufführung
zuvor.Wie unterscheidet sich deine Medien-Persona von deiner Privatperson?
JE: Meine Medienpersona ist extrem charmant. Meine Privatpersona eigentlich auch – wenn ich
draußen herum laufe, kippen die Leute von meinem Charme reihenweise um. Nein, eigentlich ist
meine Privatperson sehr introvertiert. Den ganzen Tag über bin ich sehr ruhig und dann gehe ich auf
die Bühne und bin plötzlich sehr selbstbewusst und extrovertiert, so wie Leute, die eigentlich sehr
selbstbewusst sind und auf die Bühne gehen, plötzlich komisch oder schüchtern werden können.
Eigentlich eigenartig, aber da ist etwas im Schauspiel, das einem Verhaltensweisen erlaubt, die man
im privaten Leben gar nicht kennt.Welches Bild hast du selbst von dir? Du bist Autor, Drehbuchautor, Schauspieler etc. – was siehst
du am meisten in dir?
JE: Schreiben tue ich, wenn ich gerade nicht schauspielere, was bedeuten soll, die meiste Zeit des Jahres
über. Wenn man Schauspieler ist – sogar wenn man erfolgreicher Schauspieler ist – dann hat man
zwischen den Rollen meistens mehr als 6 Monate frei. Wenn ich so lange frei habe, dann führen wir
die Theaterstücke auf, die ich die freien Tage zuvor geschrieben habe. Jeder Schauspieler, den ich
kenne, hat eine Nebenbeschäftigung in der Art – einen zweiten Job oder ein Hobby. Ich glaube,
wegen der längeren Pausen zwischen den Rollen ist das wichtig, weil man sonst irgendwann
durchdreht, wenn man kein Vollidiot ist.Du schreibst mittlerweile wirklich gute Essays für den New Yorker. Hast du einen Roman geplant?
JE: Ja, ich schreibe humoristische Beiträge für den New Yorker – danke, fürs Lesen. Tatsächlich habe
ich einen Roman geschrieben, aber ich habe ihn nie veröffentlicht. Ich habe eine Romanversion von
meinem vergangenen Theaterstück verfasst, aber dann habe ich mich dagegen entschieden, das
Stück auch als Buch herauszugeben, weil ich es für einen Roman zu schlecht fand.
Du bist also sehr ehrgeizig, was das Schreiben betrifft?
JE: Ich bin ehrgeizig, wenn auch nicht ehrgeizig im konventionellen Sinn. Ich liebe schreiben. Wäre ich
wirklich ehrgeizig, würde ich keine Stücke für ein Theater mit 200 Plätzen schreiben, sondern
konstant Mainstream-Filme machen. Ich schreibe, weil ich nicht anders kann. Wenn ich in der Früh
aufwache, ist es alles, woran ich denke. Menschen, die aus anderen Beweggründen schreiben, sind
für mich keine guten Autoren. Schreibt jemand, um möglichst großen Erfolg zu haben, oder ein
möglichst breites Publikum anzusprechen, dann lässt sich das meistens noch im Werk erkennen. Es
ist stupide, mit dem Gedanken an Erfolg oder die große Bühne zu schreiben. Für mich sind das die
falschen Beweggründe und ich glaube nicht, dass es der Weg zum Erfolg sein kann – sogar dann nicht,
wenn es ein Stück dann beispielsweise tatsächlich auf die große Bühne schafft.Schauspielerisch hast du dich bisher vor allem in verletzlichen Rollen bewiesen. Hast du Angst,
darauf reduziert zu werden?
JE: Nein, überhaupt nicht. Ich habe großes Glück, dass man mir diese, wie du sagst, „verletzlichen“
Rollen angeboten hat, weil sie eher rar sind. 99 Prozent aller Filmcharaktere haben kein Innenleben
und sind nur für den Fortgang des Plots angelegt – in der Art von: „Das ist der Kerl, der die
Zigarettendose bringt.“ Nach den verletzlichen Rollen hatte ich in „Die Unfassbaren“ die Gelegenheit,
mich als dreister und selbst-überzeugter Magier zu beweisen, was ja wohl die coolste Rolle auf der
ganzen Welt ist – mehr kann man kaum wollen. Vermutlich werde auch ich eines Tages der Kerl sein,
der die Zigarettendose bringt, aber bis dahin würde ich gerne so weiter machen und Figuren mit
einem vielfältigen Innenleben darstellen.
Verletzlich vielfältig oder dreist vielfältig – was ist dir lieber?
JE: Ein Charakter wie Atlas ist mir am liebsten, weil er sich selbst liebt. Wenn ich einen Kerl darstelle,
der sich mag, dann färbt das auf mich ab und ich nehme mich positiver wahr. Spiele ich jemanden,
der traurig, wütend oder deprimiert ist, dann fühle auch ich mich so. Stelle ich einen Kerl dar, der
sich selbst hasst, dann hasse ich mich automatisch auch und habe das Gefühl, beim Drehen versagt
zu haben, auch wenn ich während der Dreharbeiten eigentlich abgeliefert habe. Während des Drehs
zu „Die Unfassbaren“ hatte ich ein sehr positives Gefühl, weil Atlas sich liebt. Das macht automatisch
mehr Spaß.Haben sich die Rollenangebote seit deiner Oscar-Nominierung verändert?
JE: Nein, überhaupt nicht. Als ich 19 war, habe ich in einem winzigen Indie-Streifen mitgespielt und
vielen Leuten hat es gefallen. Ab diesem Zeitpunkt habe ich recht viele Angebote bekommen.
Niemand hat mich vorher überhaupt in einem Film bemerkt, ich hatte also großes Glück, in diesem
Film zu sein. Mit der Zeit bin ich dann in vielen bekannten Filmen und in genauso vielen unbekannten aufgetreten, aber ich bekomme seit Jahren dieselben Rollenangebote. Wenn etwas gerade
herausgekommen ist und sehr bekannt war, wie jetzt „Die Unfassbaren“, dann kommen für ein paar
Wochen immer sehr viele Drehbücher, aber meistens sind die alle fürchterlich, also will man so oder
so nicht an den Projekten beteiligt sein und wartet konstant auf etwas Gutes.
Wie entscheidest du, dass „etwas Gutes“ dabei ist?
JE: Wenn etwas schlecht ist, dann merkt man das sofort. Wenn etwas losgeht in der Art von – „Wir
eröffnen auf die schönsten Beine, die die Welt je gesehen hat. Sie reichen von hier bis dort.“ – dann
denkt man sofort: Gütiger Gott, an diesem Film will ich mit Sicherheit nicht beteiligt sein. Die meisten
Skripts gehen in dieser Art und Weise los. Dann gibt es noch welche, die wirklich gut sind, aber so
oder so ein Erfolg werden. An solchen Projekten will man auch nicht mitwirken. Man entscheidet sich
wohl einfach für etwas wie „Die Unfassbaren“. Solche Skripts liest man und ist sicher, dass es für
einen persönlich interessant sein wird, den Charakter darzustellen.Da du selbst ja Drehbücher schreibst, kannst du dir im Grunde deine eigenen Rollen anlegen…
JE: Ja, ich schreibe mir Theaterrollen, aber sämtliche Rollen, die ich für mich selbst schreibe,
schmeicheln mir nicht unbedingt. Es sind immer schreckliche Menschen. Anscheinend will ich immer
die schlechteste Seite von mir selbst sehen. In meinem letzten Stück „The Revisionsist“ war ich dieser
fürchterlich schreckliche Kerl. In dem Stück davor war es noch schlimmer und in dem, das folgen
wird, wird es am allerschlimmsten.
Du hast vorhin gesagt, wenn du einen schlechten Menschen spielst, fühlst du dich schlecht. Leidest
du gerne?
JE: Ja, das stimmt, ich fühle mich dann nicht besonders. Wahrscheinlich ist da tatsächlich etwas in
dieser Art dahinter und ich sehe mich gerne leiden. Im Deutschen gibt es ein extra Wort dafür, oder?
Ist es „Schadenfreude“?
„Schadenfreude meint lachen über das Leid von anderen. Tatsächlich ist die exakte Semantik von
„Schadenfreude“ in allen Sprachen der Welt äquivalentlos.
JE: Ich dachte immer, masochistisch ist ein Äquivalent zu „Schadenfreude“. Wenn „Schadenfreude“
das Lachen über das Leid von anderen ist, dann hat es aber doch auch ein Äquivalent: Sadismus.
Obwohl man wahrscheinlich auch Schadenfreude fühlen kann, wenn man nicht sadistisch ist, richtig?
Wahrscheinlich stimmt es also und „Schadenfreude“ ist tatsächlich äquivalentlos…Um auf den Film zurück zu kommen: was hast du aus „Die Unfassbaren“ gelernt?
JE: Selbstbewusstsein. Mein Charakter Atlas ist der beste Bühnenmagier der Welt – er ist wahnsinnig
selbstbewusst und ich habe gelernt, dass Selbstbewusstsein eigentlich nicht viel mehr ist, als ein
Trick. Ist man nicht selbstbewusst, kann man tricksen und zumindest anderen selbstbewusst
erscheinen. Ich habe über mich selbst gelernt, dass meine extreme Bühnenangst eine Sache ist, die
ich selbst an- und ausschalten kann. Wenn ich es will, kann ich selbstbewusst auf die Bühne gehen
und tue ich es nicht, bin ich selber schuld, dass ich mich so quäle. Ich fühle mich seit „Die
Unfassbaren“ also wohler auf der Bühne oder in Interviewsituationen wie der hier.Wie du sagtest ist Atlas der Beste in seinem Job. Gleichzeitig scheint er nicht besonders gut mit
Menschen zu können. Ist eine gewisse Isolation notwendig, um der Beste zu werden?
JE: Definitiv. Alle Leute, die wirklich gut in etwas sind, sind Einzelgänger. Zumindest alle, die ich
kenne. Um in etwas extrem gut zu werden, braucht es enorme Konzentration und Übung. Ich stimme
dem also definitiv zu und bin der Meinung, dass Einsamkeit hier förderlich ist, weil man nur in sich
gekehrt und alleine wirklich bei sich ist, sich besser kennt und seine Vorstellungskraft besser nutzen
kann. Menschen, die sich ständig in sozialen Situationen bewegen und konstant mit anderen Leuten
umgeben, werden im Umgang mit anderen wirklich gut, aber ich glaube, dass alle langsamen
Denkprozesse Isolation erfordern.
Altas wird als Kontroll-Freak beschrieben. Bist auch du einer?
JE: Nein, das würde ich nicht sagen. Nur, wenn es um Socken geht. Ich muss immer sicher stellen,
dass ich die richtigen Socken trage. (krempelt Hosenbein hoch) Mal ernsthaft: wie cool sind die denn
bitte? Für alle, die das hier lesen: wir betrachten gerade braun gestreifte Navy-Socken. Jeder Streifen
ist ungefähr 1,5 Inches breit oder, wie ihr es nennt, 3 cm und jede Socke reicht bis zur, ich würde
sagen, Hälfte der Wade.
Viele Menschen assoziieren Magier mit dem Illegalen. Warum?
JE: Ich denke das liegt daran, dass das Herzstück ihrer Arbeit Betrug ist. Sie fühlen sich extrem wohl
dabei, andere zu beschwindeln und zu hintergehen. Schwindel und Betrug assoziiert man dann wohl
mit dem Illegalen im Sinne des Unmoralischen. Ich habe dafür sogar ein Beispiel. Als wir „Die
Unfassbaren“ gedreht haben, habe ich für die Crew ein paar Tricks aufgeführt. Ich habe ihnen danach
jedes Mal gesagt, wie der Trick funktioniert, wohingegen die tatsächlichen Magier, die uns am Set
behilflich waren, der Crew Tricks gezeigt haben, ohne jemals zu erzählen, wie sie funktionieren. Sie
haben mich dafür gehasst, dass ich ein paar ihrer Tricks verraten habe, aber ich konnte sie nicht für
mich behalten, weil ich mich schlecht gefühlt hätte, Geheimnisse vor der Crew zu haben oder sie zu
belügen. Genau das tun Magier aber: sie fühlen sich dabei wohl, andere zu belügen und das ist
unmoralisch, weil man das Gefühl hat, ihnen nicht vertrauen zu können.
Portraitiert „Die Unfassbaren“ Magier moralischer, als wir es von älteren Filmen gewohnt sind?
JE: Im Prinzip überhaupt nicht. Magie ist immer Betrug und Magier sind immer Betrüger. Einen
Unterschied macht „Die Unfassbaren“ aber doch. Die Charaktere nutzen den Betrug der Magie hier,
um Geld von korrupten Unternehmen zu stehlen und es an die Leute zurück zu geben, denen es
gestohlen wurde. In diesem Sinne nimmt man die Magier im Film vielleicht als moralischer wahr, weil
ihr Betrug aus einem moralisch vertretbaren Beweggrund heraus entstanden ist.Im Film kann das scheinbar Übernatürliche erklärt werden. Wie ist es mit dir – glaubst du an das
Unerklärliche?
JE: Ich habe aus diesem Film gelernt, dass alle scheinbar magischen Dinge nur Tricks sind, die sich
irgendjemand ausgedacht hat. Es sind gut durchdachte und kreative Tricks, die über Jahre geübt
werden müssen, aber nichts desto trotz sind es noch immer Tricks. Nichts davon hat irgendetwas mit
Glauben zu tun. Nicht einmal das Gedankenlesen: Mentalisten tun nicht viel mehr, als die Mimik eines Menschen zu beobachten und daraus Schlussfolgerungen über sein Innenleben zu ziehen.
Magie ist nicht viel mehr als eine konstruierte Fiktion.Wenn du nicht an Übernatürliches glaubst – an was glaubst du im Leben?
JE: Ganesha. (Anm. d. Redaktion: hinduistische Gottheit, „Beseitiger aller Hemmnis“) Nein, ich weiß
nicht genau – über solche Dinge denke ich nicht nach. Ich bin wohl ein ziemlich langweiliger Typ.
Anscheinend ein Ungläubiger – es ist wirklich schrecklich. Ich wurde jüdisch erzogen, aber dann habe
ich aufgehört zu glauben. Meine Eltern haben mich auf eine jüdische Schule geschickt und ich habe
es gehasst. Es war grauenvoll dort. Ich bin mit niemandem ausgekommen. Für einige Zeit bin ich
wohl mit Gott ausgekommen, aber das war´s dann auch schon wieder mit dem Spaß. Fürchterlich: in
der jüdischen Schule war Gott der Einzige in meiner Klasse, mit dem ich mich verstanden habe, aber
dann hat er nicht mehr angerufen, weil er bessere Freunde gefunden hatte. Vielleicht hatte er auch
Besseres zu tun, weil irgendwo ein Krieg ausgebrochen ist. Nachdem er nicht mehr anrief, habe ich
jedenfalls die Schule abgebrochen. Man kann sagen, von da an gingen Gott und ich einverständlich
getrennte Wege.Anders als mit Gott scheinst du wie man sieht sehr gut mit Woddy Harrelson, deinem Co-Star aus
„Zombieland“ und „Die Unfassbaren“, zu Recht zu kommen…
JE: Woody Herrelson und ich haben wohl einfach eine ähnliche Art der Sensibilität. Um das klar zu
stellen, führen wir aber nicht gerade die Art von zwischenmenschlicher Beziehung, in der man sich
über die Ablehnung von Glauben austauscht…
In Kürze erscheint der 2te Teil von die Unfassbaren:
https://www.cineglobe.de/bald-im-kino/die-unfassbaren-2/
by Sima Moussavian