7.3

Das Lied der treuen Chunhyang

Am ganzen Körper zittert sie, und alle Glieder schütteln sich, und sie schreibt die Schriftzeichen ‚ein’ und ‚Herz’ und wirft den Pinsel auf den Boden und bleibt aufrecht und stolz sitzen.“
Zitat aus: „Pansori. Die gesungenen Romane Koreas. Band 1“, übersetzt von Chung Kyo-chul und Matthias R. Entreß, Thunum 2005; nach der Version von Jo Sang-hyeon.

Bei einem Ausflug begegnet Mongryong, der Sohn des Präfekten von Namwon, Chunhyang, einer Gisaengtochter. Von ihrer Schönheit bezaubert, arrangiert er ein Treffen und verliebt sich in sie. Die beiden versprechen sich die Ehe und verbringen eine recht lustige Zeit miteinander, bis der Präfekt in die Hauptstadt abgerufen wird. Mongryon soll ihn begleiten, um die Beamtenprüfung abzulegen. Er verspricht Chunhyang, so bald wie möglich zurückzukommen.
Als der neue Präfekt in Namwon eintrifft, stellt sich heraus, daß er ein Frauenliebhaber ist, der sich eigens nach Namwon hat versetzen lassen, weil er so viel von Chunhyangs Schönheit gehört hat. Als Gisaengtochter ist Chunhyang eigentlich dem Präfekten als Unterhaltungsdame verpflichtet, aber sie weigert sich, dieser Tätigkeit nachzukommen, da es zu den Pflichten einer Ehefrau gehört, die Treue zu wahren. Der neue Präfekt ist darüber sehr erzürnt und läßt Chunhyang foltern und einsperren. Sie soll an seinem Geburtstag hingerichtet werden. Chunhyang bleibt nur noch die Hoffnung auf ein Wunder und auf das Versprechen, das Mongryong ihr gab.


Kommentar:

Die Geschichte von Chunhyang ist in ganz Korea sehr beliebt. Sie geht wahrscheinlich auf ein schamanistisches Ritual zurück. Richtig ausgebaut wurde die Geschichte dann, als sie zu einem Pansoriepos (siehe Erklärungen) erweitert wurde. Die Beliebtheit der Geschichte ist leicht zu erklären, denn die Geschichte prangert einerseits die Korruptheit der Adligen an, andererseits rüttelt sie auch am starren Klassensystem.
So wurde den zahlreichen Chunhyang-Verfilmungen meist eine der aktuellen Zeit angepaßte politische oder sozialkritische Deutung gegeben.
Im Kwon-taeks Chunhyang geht einen etwas anderen Weg, da hier nicht die Geschichte und deren Interpretation im Vordergrund steht, sondern die Übertragung eines Pansorisstückes auf das Medium Film.

Der Film wechselt zwischen Aufnahmen einer Pansoriaufführung Chunhyangs – dargebracht von Cho Sang-hyun und Kim Myung-hwan -, szenischen Aufnahmen, in denen sich die DarstellerInnen zum Pansorigesang bewegen und Aufnahmen, die man aus normalen Filmen gewohnt sind, in denen nämlich das Pansori verstummt und die DarstellerInnen miteinander interagieren und kommunizieren.

Da ein Pansoriepos zu ausschweifenden Beschreibungen neigt, was eine Handlung wenig vorantreibt, wurde in dem Film sehr viel Wert auf eine ästhetische Darstellung gelegt, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu fesseln. Viele Gebäude wurden mit vorteilhaften Lichtverhältnissen aufgenommen, die bunten Kleider usw. wurden in gefälliger Farbzusammenstellung arrangiert. Dadurch entsteht eine Idyllisierung der Jeoseonzeit des 18. Jahrhunderts, die aber nicht unpassend ist. Schließlich ist auch die Geschichte selbst eine idealisierte Wunschvorstellung.

Befriedigt der filmische Teil das Auge, so spricht die rhythmische, fast meditative Pansorierzählung die emotionale Seite der Zuschauer an. Es ist erstaunlich, daß die Übertragung der Emotionen des Sängers auch noch durch den Fernseher/die Leinwand funktioniert, wenngleich auch mit weniger Einfluß als auf das direkte Publikum, wie sich auf den Aufnahmen unschwer sehen läßt!

Zur schauspielerischen Leistung der einzelnen Darsteller möchte ich mich nicht äußern, da sie, wie gesagt, mehr „arrangiert“ wurden, als daß sie tatsächlich spielen mußten.
Jo Seung-woo kam meiner Vorstellung von Mongryong ziemlich entgegen. Das ist jedoch wohl eher eine persönliche Vorliebe.

Chunhyang war der erste koreanische Film, der in der Wettbewerbskategorie des Film Festivals in Cannes teilnehmen durfte.


Weitermpfehlung:

Chunhyang kann man sich ansehen, wenn man genug Interesse an anderen Kulturen hat,so daß man sich sicher ist, eine Pansoriverfilmung durchzustehen, denn ein großer Teil des Films besteht eben aus Landschaftsbeschreibung oder detailierter Beschreibungen der Kleidungen, Gebäude, Gegenstände etc.
An den Pansorigesang selbst gewöhnt man sich übrigens sehr schnell!

Wenn man sich speziell für Korea interessiert, wäre Chunhyang allerding fast Pflichtprogramm!


Erklärungen:

Pansori
Als Pansori, was vermutlich so viel bedeutet wie Gesang im weiten Raum, bezeichnet man eine typisch koreanische Vortragskunst epischer Gesänge, die nur von einem Sänger, dem Gwangdae, und einem Gosu, einem Trommler. Der Sänger hält als Hilfsmittel einen Fächer und ein Stofftaschentuch in der Hand, der Trommler deutet auf der Buk, der Faßtrommel, bestimmte Jangdans, Rhytmen, an und unterstützt den Sänger mit Chuimsae, ermutigenden Zwischenrufen. Beide halten sich mit estik und Mimik stark zurück. Emotionen werden rein stimmlich weitergegeben. Pansori ähnelt also einer asugefeilten und ausgedehnten – ein Vortrag kann bis zu acht Sunden dauern – Fantasiereise.
Der Pansorigesang hat, wie viele koreanische Künste, seinen Ursprung im Schamanismus. Er diente zuerst zur Unterhaltung des einfachen Volkes, wurde aber später auch von der Oberschicht aufgenommen und von dieser mit chinesischen Gedichtspassaagen erweitert.
Inhaltlich geben die Pansorierzählungen Mythen, Sagen und Legenden wieder, die konfuzianischen Tugenden hervorheben. Wahrscheinlich gab es früher viel mehr Pansoriepen (Madang) als heute bekannt sind, man nimmt an, daß es aber zumindest zwölf gwesen sein müßten. Heute aufgeführt werden davon noch fünf: Chunhyang-ga, Simcheon-ga, Sugung-ga, Heungbu-ga und Jeokbyeok-ga. Chunhyang-ga ist das bekannteste und beliebteste Madang.

Gisaeng (manchmal auch: Kisaeng)
Eine Gisaeng ist eine in verschidenen Künsten geschulte Frau, die zur Unterhaltung (ja nach Stand der Gisaeng auch zur körperlichen Unterhaltung) der Männer der Obeschicht, beitragen soll. Obwohl Gisaengs ausgesprochen gebildet waren, gehörten sie der untersten Gesellschaftsschicht an. Ähnlich wie Sklaven mußten sie ihre Namen in Register eintragen lassen und ihre Anwesenheit im Distrikt wurde damit regelmäßig überprüft. Ihre Töchter wurden automatisch auch zu Kisaengs.
Im Unterschied zu den japanischen Geishas waren Gisaengs nur sehr wenig geschminkt und sollten durch ihre natürliche Schönheit bestechen.


Anmerkung: In diesem Artikel wurden die koreanischen Namen in der Reihenfolge „Familienname Vorname“ geschrieben.

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